17. November 2014

«A Walk Among The Tombstones» – Interview mit Liam Neeson

«In Hollywood geht es einzig um Dollars und Cents»

Einmal mehr spielt Liam Neeson im düsteren Thriller «A Walk Among The Tombstones» einen Einzelgänger auf der Jagd nach dem Bösen. Im Gespräch erklärt der 62jährige Ire, weshalb er solche Rollen mag, wieso er als Frau nie nach Hollywood gehen würde und was er gemeinsam mit Ricky Gervais plant.

von Rudolf Amstutz
Fühlt sich als Privatdetektiv Matt Scudder sichtlich wohl: Liam Neeson. Foto: © Impuls Pictures

Der Krimiautor Lawrence Block hat sich mit seinen Romanen rund um den Privatdetektiv Matthew Scudder einen Namen im Genre der gehobenen «Pulp Fiction» gemacht. Nun hat Drehbuchautor und Regisseur Scott Frank mit «A Walk Among The Tombstones» eine dieser Geschichten fürs Kino adaptiert. Liam Neeson fühlt sich darin als Ex-Alkoholiker und Ex-Polizist sichtlich wohl und beweist mit seiner Darstellung, dass er, der einst Oskar Schindler und Michael Collins verkörpert hat, auch einer Figur wie Scudder Tiefe verleihen kann. Neben Neeson ist der junge Rapper Brian «Astro» Bradley eine cineastische Entdeckung. Scott Frank ist mit seinem Film zudem ein visuelles Meisterstück gelungen, gelang es ihm doch die Schauplätze im New Yorker Stadtteil Brooklyn getreu der literarischen Vorlage in ein vielschichtiges Dunkel zu tauchen, das dem Genre der Serie Noire alle Ehre macht.

Das Gespräch mit Liam Neeson fand im Rahmen des Zurich Film Festivals 2014 statt.

Mr. Neeson, was war ausschlaggebend, dass Sie die Rolle des Ex-Polizisten Matthew Scudder angenommen haben?

Liam Neeson: Mir gefiel das Drehbuch. Ich fühle mich grundsätzlich angezogen von solchen Charakteren, von Einzelgängern mit einer dunklen Geschichte.

Wie bereitet man sich auf die Rolle einer solchen Figur vor?

In diesem Fall habe ich ein paar Matt Scudder-Romane von Lawrence Block gelesen und andere Geschichten aus der langen Tradition der Serie Noire. Auch skandinavische Autoren dieses Genres mag ich wie Jo Nesbø oder Henning Mankell. Wenn ich die am Lesen bin, kann ich sie kaum weglegen. Dann habe ich an einigen AA-Meetings teilgenommen, weil Scudder ja ein Ex-Alkoholiker ist und was den Ex-Polizisten betrifft: Ich habe ein paar Freunde bei der New Yorker Polizei, die mir Einsicht in ihre Ermittlungsarbeit ermöglicht haben. Es ist faszinierend zu sehen wie oft kleinste Puzzleteile, über Jahre gesammelt, am Ende zur Aufklärung eines Falles führen können. Sehr vieles davon ist mühselige und langweilige Kleinstarbeit. Und in der Summe hat sich daraus die Welt von Matt Scudder ergeben, in der er Jahre drinsteckte und die fest in seiner DNA verankert ist.

Und was hat Sie an den Büchern von Lawrence Block besonders fasziniert?

Nun, erstens kann er wirklich gut schreiben. Und er hat mit diesem Matt Scudder eine Figur erschaffen, die für mich unglaublich real ist. Man merkt, wie der Autor seinen Protagonisten liebt. Er hat ja schon versucht, sich von ihm zu verabschieden, aber er kommt immer wieder auf ihn zurück. Mittlerweile sind es etwa 16 Romane, in denen er die Hauptrolle spielt. 

Das heisst, weitere Scudder-Filme könnten folgen.

Das kommt einzig darauf an, wie sich «A Walk Among The Tombstones» an den Kinokassen schlägt. In Hollywood geht es einzig um Dollars und Cents. Das ist der Motor Hollywoods. Macht ein Film genügend Kasse, dann folgt auf jeden Fall ein Zweiter.

Und Sie würden erneut in diese Rolle schlüpfen?

Auf jeden Fall. 

Lawrence Block soll ja sehr glücklich darüber sein, dass Sie seinen Scudder verkörpern.

Das habe ich auch gehört. Und zwar hat er die Verbindung zwischen mir und Scudder bereits gemacht, als er sich seinerzeit «Michael Collins» angesehen hat. Ich sehe da zwar keinen Zusammenhang, schön ist es trotzdem.

Sie haben gesagt, dass Sie in zwei Jahren mit Actionfilmen aufhören wollen.

Hab ich das? (schmunzelt). Nun ja,die Leute werden denken: «Hey, Du bist jetzt 64. Hör doch endlich auf damit!» (lächelt)

Sie sehen aber jünger aus als 62. Haben Sie ein Geheimnis?

Ich versuche, Sorge zu mir zu tragen. Ich halte mich fit, gehe rechtzeitig ins Bett, ernähre mich gesund, das ganze langweilige Zeugs halt. Man muss eine gewisse Kondition mitbringen, wenn man in Filmen mitspielt. Die Dreharbeiten für «Tombstones» fanden über acht Wochen im New Yorker Winter und immer nachts statt. Das kostet einiges an Energie und dafür muss man gewappnet sein. Gerade wenn man die Hauptrolle innehat. Man kann da nicht einfach plötzlich Pause machen und all die Leute, die an einem solchen Film beteiligt sind, warten lassen. Aber das Positive war, dass ich am Ende eines Drehtages zuhause ins eigene Bett fallen konnte.

Sie erhalten regelmässig neue Rollenangebote, Frauen im selben Alter haben es im Filmbusiness wesentlich schwerer.

Ich komme zwar immer wieder in Schwierigkeiten, wenn ich das sage, aber ich sag es trotzdem: Wenn ich eine Frau wäre, würde ich um keinen Preis Schauspielerin in Hollywood sein wollen. Als ich dies an einer Pressekonferenz, an der auch Julianne Moore beteiligt war, sagte, stiess sie sich daran. Ich habe sie dann gefragt: «Julianne, wieviele wie Du gibt es in Hollywood? Höchstens zwei. Wieviele Meryl Streeps? Eine einzige!» Und jedes Jahr schwemmt es Tausende von Mädchen an, die davon träumen, es zu schaffen. Ich wünsche ihnen allen Glück, aber es ist unglaublich hart.

Sie wohnen in Manhattan, «Tombstones» spielt aber zum grössten Teil in Brooklyn. Sind Sie ein 100prozentiger Manhattanite oder bewegen Sie sich auch in Brooklyn?

Ich verbringe schon regelmässig Zeit in Brooklyn. Allerdings war der Greenwood-Friedhof neu für mich. Ich mag Friedhöfe sehr. Viele Leute finden sie unheimlich, doch für mich strahlen sie etwas unglaublich Friedliches aus.

Der Film ist sehr düster. Die Nacht, der Regen, die Schauplätze, all dies erscheint wie eine visuelle Ergänzung zu Scudders Charakter.

Unbedingt. Einer wie Scudder ist moralisch ambivalent. Und die Orte, in denen er sich bewegt, vermitteln dies auch visuell. Er bewegt sich auf dem schmalen Grat zwischen Gesetz und der Gesetzlosigkeit.

Scudder, der Einzelgänger, arbeitet in der Folge eher unfreiwillig mit einem Jungen namens TJ zusammen.

Ja, aber Regisseur Scott Frank achtete penibel darauf, dass zwischen uns keine Sentimentalität aufkommt. Brian Bradley, der TJ spielt, war ein wunderbarer Partner. Dem Jungen steht kein Ego im Weg und er hält das Ganze sehr einfach, was ich mag. 

Wenn Sie Scott Frank gerade erwähnen. Sie sollen zu Beginn Zweifel gehabt haben, mit ihm zu arbeiten.

Ja. Sobald einer, der wunderbare Drehbücher schreibt, sich entschliesst nun selber Filme machen zu wollen, werde ich misstrauisch. Ich habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht. Bei Scott war bereits beim ersten Drehtag klar, dass der Mann seine Hausaufgaben gemacht hatte. Er strahlte eine Sicherheit aus und wusste exakt, was er wollte. Ich würde mit ihm sofort wieder arbeiten.

Das Drehbuch erlebte in Hollywood ja auch schon bessere Zeiten. Viele Schauspieler wenden sich deshalb dem Fernsehen zu.

Die Drehbücher sind nicht wirklich alle schlecht. Aber man tendiert in Hollywood dazu, immer wieder die selben Ideen neu aufzuwärmen. Und die heutigen Fernsehserien sind für Autoren sehr verlockend, können sie doch einen Charakter über mehrere Stunden entwickeln. Das spürt man in Hollywood auch, dass da einige intelligente Menschen Richtung Fernsehen abgewandert sind.

Hatten Sie auch schon Fernsehangebote?

Ich war im Fernsehen, aber das ist Jahre her. Bislang habe ich noch keines erhalten, aber ich würde wohl nicht Nein sagen, wenn ein Sender wie HBO etwas planen würde. Gerade kürzlich habe ich im TV «Fargo» gesehen, die Serie, die auf dem gleichnamigen Film von den Gebrüdern Coen basiert. Die ist phänomenal gut gemacht. Grossartig geschrieben, unglaublich gut gespielt. Die hält einen wirklich am Rande des Fernsehsessels gefesselt, und dies auf eine wirklich intelligente Art und Weise.

Und wann kehren Sie ins Theater zurück?

Ich bin seit sechs Jahren nicht mehr auf einer Bühne gestanden. Man hat mich zwar am Broadway für einige Revivals angefragt – für «Sleuth» etwa oder für – man glaubt es kaum – eine Bühnenversion von «The Exorcist». Es ist zwar kein schlechtes Stück, aber ich darin: I don't think so. Nein, ich möchte gerne etwas Neues, etwas Frisches machen. Das würde mir gefallen.

In «Life's too short», einer Comedy-Serie von Ricky Gervais und Stephen Merchant, haben Sie eine kleine Szene, wo Sie Ihr komödiantisches Talent beweisen. Sie offenbaren darin die Qualitäten eines Buster Keatons.

Oh, das ist sehr schmeichelhaft. Viele Leute glauben ja die Szene sei reine Improvisation, obwohl sie von Ricky und Stephen bis ins kleinste Detail geschrieben worden ist. Ricky und ich werden wohl gemeinsam einen Film machen. 

Wirklich wahr?

Oh ja, und zwar eine britische Version der französischen Komödie «Envoyés très spéciaux» (im Original mit Gérard Lanvin und Gérard Jugnot, Anm. der Redaktion). Also, ich hoffe zumindest, dass es dazu kommt. Das Original ist wirklich sehr lustig. Aber wir werden sehen (schmunzelt).

#-#IMG2#-##-#SMALL#-#A Walk Among the Tombstones. USA 2014. Regie und Drehbuch: Scott Frank. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Lawrence Block. Kamera: Mihai Malaimare Jr.. Musik: Carlos Rafael Rivera. Mit: Liam Neeson (Matt Scudder), Dan Stevens (Kenny Kristo), David Harbour (Ray), Boyd Holbrook (Peter Kristo), Brian Bradley (TJ), Razane Jammal (Carrie).

«A Walk Among The Tombstones» – Trailer »

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